Station K − Neustadt Walking Route

Zeugen der Belle Epoque

Stolze Zeugen der Belle Époque

Der schachbrettartige Stadtbauplan von 1897 löste eine gewaltige Bautätigkeit aus. Innerhalb von wenigen Jahren war das Hirschmattquartier gebaut. An den äusseren Rändern entstanden repräsentative Geschäfts- und Hotelbauten mit aufwendigem Fassadenschmuck – etwa an der Pilatusstrasse (Monopol, Bristol, De Paris), aber auch an der Zentralstrasse (Waldstätterhof, Central, Minerva & Touriste), der Bundesstrasse (Johanniterhof) und am südlichen Abschluss an der Waldstätterstrasse (Helvetia).

Im Innern des Quartiers erlebte die Belle Époque – die Phase des wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwungs von 1884 bis zum Ersten Weltkrieg – ihre Blüte vor allem in Form von sechsgeschossigen Mietwohnungsblöcken, die nicht auf Monumentalität ausgelegt waren, sondern auf Verspieltheit. Sie zeichnen sich aus durch verschnörkelten, teilweise überladenen Fassadenschmuck, durch auskragende Balkone, durch prägnante Sockelgeschosse und durch steile Mansarddächer.

Postkartenansicht um 1900 und die gleiche Perspektive heute: Die Häuser an der Habsburgerstrasse 42 und 44 sind sehr gut erhalten und sorgfältig saniert worden. Sie zeugen von der Baukunst um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert.

Die verspielten Fassaden übernahmen historisierende Elemente von Klassizismus, Neurenaissance über Neugotik bis Neubarock. Auf engstem Raum ist hier noch heute „die ganze Stilgeschichte Europas“ abzulesen, so Paul Rosenkranz im neuen Stadtführer „Luzern entdecken“ von 2016, „mit interessanten Einflüssen des Jugendstils aus der Zeit von 1890 bis 1914“.

Wie wenig man in den Sechzigerjahren von den historisierenden Stilen der Jahrhundertwende hielt, verdeutlicht Stadtarchivar Wilhelm Anton Rogger in seiner Schrift „Luzern um 1900“ von 1965: „Man frönte jener Geschmacksrichtung, die uns noch heute da und dort in der Architektur in verschnörkelten Blechtürmchen oder anderlei sinn- und zwecklosem Krimskrams begegnet.“ Und: „Es war alles irgendwie auf Schwulst ausgerichtet. Daneben eroberte eine neue, umstrittene Kunstrichtung den Kontinent von England aus – der sogenannte ‚Jugendstil‘, welcher wenigstens das Gute in sich trug, dass er auf eigene Ideen hin strebte, weg von der bisherigen Kopiererei überkommener Stile.“

Erker, Balkone und Ecktürme schufen bewegte Ansichten. Nicht nur die einzelnen Fassaden, teilweise auch die einzelnen Geschosse waren unterschiedlich gestaltet. Mit diesem Reichtum an Schmuck und mit dieser Individualität versuchte das Bürgertum, sein Selbstbewusstsein zu demonstrieren und seinen persönlichen Stil nach aussen zu tragen.

Diese Lebendigkeit drückt sich auch in der Art und Weise aus, wie das Quartier angelegt ist. Zwar sind alle Strassen ungefähr gleich breit, doch sind die Abstände zwischen den Strassen (und damit die Ausmasse der Blockgevierte) sehr unterschiedlich. Dies war eine Einladung an die Architekten, die Vielfalt in der Gestaltung der einzelnen Häuserzeilen zu nutzen.



Weitere Artikel zu diesem Ort

Strassennamen
Die Strassennamen im Hirschmattquartier zeugen vom Zeitgeist des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Sie nehmen Bezug auf die Geschichte von Luzern und der Eidgenossenschaft.
Weiterlesen ...